Gründerzeit

Musikverein Reutlingen-Ohmenhausen 1906 e.V.

1906 bis 1945: Gründungszeit

1910
Kapelle um 1910
 

Das Jahr 1906 brachte dem kleinen Ort Ohmenhausen eine kulturelle Wende. Trotz der nicht gerade rosigen Wirtschaftslage und der langen Arbeitszeiten in den Fabriken fanden sechs Männer Zeit zur damals allerorts aufstrebenden Blasmusik und gründeten im September 1906 unter Vorsitz von Wilhelm Krumm den Musikverein Ohmenhausen.
Über die ersten vier Jahre des Vereinslebens wissen wir nur, durch mündliche Überlieferung, dass die ersten Musikproben mangels Proberaum im Wald abgehalten wurden. Doch scheinen die paar Musiker recht erfolgreich gewesen zu sein, denn im Jahre 1910 zählte der Verein schon 50 Mitglieder.

 

In diese Zeit fällt auch die Wahl des Schriftführers Karl Mayer. Er legte in schwungvoller Schrift das erste Protokollbuch an. Sofort wurde deutlich, woran es am meisten haperte: nämlich am lieben Geld. In fast jedem Versammlungsprotokoll findet man vom damigen Kassierer Hämmerle den gleichen Ausspruch: "Manna, so ko's nemme weiter gau!" Aber es ging weiter! Mit wechselndem Erfolg wurden Fasnetskräzle, Ausflüge, Hahnentänze und Weihnachtsfeiern abgehalten und dazwischen immer wieder Gemeindekollekten veranstaltet um den jungen Verein über Wasser halten zu können.

Missverständisse bei der Planung eines Wald- und Kinderfestes, bei dem auch der Standort umstritten war, weil der Gemeinderat einen Festplatz am Spitzwasen wegen der Nähe des Friedhofes ablehnte, führten zum Rücktritt des Vorsitzenden Georg Handel. Nachfolger wurde Daniel Brucklacher. Auch mit dem Dirigenten hatte man Schwierigkeiten. Der erste Wechsel fand 1910 statt. Herr Bax wurde von Dirigent Scherzer abgelöst, dieser schon nach zwei Jahren von Dirigent Sugg und im gleichen Jahr noch übernahm Musikdirektor Becker die Stabführung. Dieser wieder um hielt es nur ein viertel Jahr in Ohmenhausen aus. Neuer Kapellmeister wurde ab April 1913 Herr Mahle. Er brachte Schwung in die Kapelle und schon nach kurzer Zeit konnte Kassierer Hämmerle einen positiven Kassenstand vermelden. Es ging aufwärts. Veranstaltungen und Versammlungen wurden gut besucht, man leitete sich neue Instrumente und schmiedete Pläne für die Zukunft.
Aber dann ging es dem Musikverein wie allen Vereinen in dieser Zeit: Fast fünf Jahre lang Pause, 12 Mann blieben im ersten Weltkrieg.

 

Die politischen Wirren zwischen den beiden Weltkriegen konnten Verein nicht erschüttern. Es waren jahre des Erfolges. Es gab viele Veranstaltungen wie Weihnachtsfeiern, Fasnetskränzchen, Sommerfeste und Kribetänze, die alle ausschließlich in den Ohmenhäuser Gaststätten stattfanden. Das Repertoire war bescheiden. Man begnügte sich mit Märschen, Polkas, Walzern und Rheinländern. Es gab gar keine richtige Blasmusik-Literatur wie heute, auch wenig Originalkompositionen für Blasorchester. Man war auf sogenannte Transskriptionen angewiesen. Trotzdem befasste man sich auch mit anspruchsvollen Werken wie Titus-Ouvertüre, Rienzi Wagner-Fantasien oder ähnlichem,denen sich die Kapelle immer wieder den Wertungsrichtern stellte. Wurde man auch nicht immer Sieger, ein 1-B-Preis war das mindeste.

  1926
Die Kapelle 1926 beim 25-jährigen Jubiläum

Auf über 300 Mitglieder wuchs der Verein in dieser Zeit an und die Kapelle zählte 34 Musiker. Dies ist eine sehr ordentliche Zahl, wenn man bedenkt, dass Ohmenhausen damals weniger als 2000 Einwohner hatte.

Leider wurde auch diesem Aufschwung durch den 2. Weltkrieg ein eiserner Halt geboten

Nach 1945

Im April 1947 sollte der Verein zum dritten Mal erstehen. Dabei hatte man zu allem Elend während des 2. Weltkrieges und beim Umsturtz sehr viel Glück. Das gesamte Instrumenten- und Notenmaterial war unbeschädigt und vollständig geblieben. So ging der Wiederaufbau reibungslos von statten. 1950 feierte man unter reger Beteiligung der Bevölkerung und der örtlichen Vereine das erste Sommerfest nach dem Krieg.

Das 45jährige und natürlich das 50jährige Jubiläum wurden entsprechend gefeiert und man merkte, dass es in Deutschland aufwärts ging. Die Musikerzahl hatte den Vorkiegsstand erreicht und die Zahl der Mitglieder ist infolge der Erstellung neuer Siedlungen in Ohmenhausen auf über 400 geklettert.

 

Jubiläum 45 Jahre
Kapelle beim 45 jährigen Stiftungsfest 1951
  Zeitungsartikel zum 50. Jubiläum
Zeitungsartikel zum 50jährigen Jubliäum 1956
(wahrscheinlich vom Reutlinger Generalanzeiger)



Ära E. Gruner

Dirigent Gruner
Dirigent E. Gruner 1958 bis 1984

 

Im Jahr 1958 begann eine neue Ära: Mit Ernst Gruner am Dirigentenpult und Hermann Hornung, dem Vater des jetzigen Vorsitzenden, als erstem Vorstand strebe der Verein neuen Höhen entgegen. Schon im Jahr 1960 erzielte die Blaskapelle mit der Suite "Tirol 1809" in der Kunststufe einen ersten Rang mit Auszeichnung.
Verschiedene Rundfunkaufnahmen folgten und klangvolle Kompositionen trugen den Namen Ernst Gruner weit übers Ländle hinaus. Hohes Ansehen erreichte die auf ca. 45 Mann angewachsene Kapelle auch bei verschiedenen Besuchen in der Schweiz und in Österreich. In diesen Jahren ist die Kapelle oft und ohne Scheu zum Wertungsspiel in der Ober- oder Kunststufe angetreten und hat ihr Können unter Beweis gestellt.

75 Jahre 1981: 75 Jahre MVO  

Ende der 70er Jahre trat dann - aufgrund geänderter Musikauffassung der deutschen Bevölkerung - auch beim Musikverein die Rezession ein. Doch die Kapelle hatte einen guten "älteren Stamm" und nicht alle jungen Leute fuhren auf Rock- und Beatmusik ab, die damals bei den Musikvereinen noch verpönt war und so konnte auch diese "Durststrecke" überwunden werden.
Dann passierte etwas, dass früher undenkbar erschien: Es traten Frauen und Mädchen in die Kapelle ein. Der Musikverein emanzipierte sich. Auch was die Blasmusik- Literatur angeht. Plötzlich hielten Schlager und südamerikanische Rhythmen Einzug ins Repertoir. Viele "alte Zöpfe" fielen. Das wiederum gefiel vielen jungen Leuten, die zum Musikverein drängten. Die Vereinsführung konnte wieder gelassen in die Zukunft blicken.

Als dann Ernst Gruner nach 25 jahren den Taktstock in jüngere Hände gab, ging die Entwicklung der Blasmusik doch in seinem Sinne weiter, denn sein Nachfolger, ein junger, dynamischer Mann, Dietmar Hacker, hatte in etwa die gleiche Auffassung über das, was gute Blasmusik enthalten soll.

1984 bis 2004

1990
Kapelle 1990
 

Nach 25 Jahren am Dirigentenpult gab Ernst Gruner 1984 den Taktstock an Dietmar Hacker ab. Leicht hatte es der neue Dirigent allerdings nicht, denn mit Ernst Gruner trat ein Teil des "älteren Stammes" ab. Doch durch die nunmehr immer aktuellere Blasmusik- Literatur konnte noch mehr Nachwuchs gewonnen werden.
Die unter 30jährigen bildeten inzwischen die Mehrheit. Dementsprechend sah das Repertoire aus: Es reichte von den Schlagern der sogenannten "Volkstümlichen Hitparaden" über "Oldies mit Jazz-, Rock- und Beat-Elementen" bis zur traditionellen "Stimmungsmusik".

Bei Konzerten setzte man gesteigerten Wert auf moderne Blasmusik, meist holländischer Herkunft, auf moderne Klassiker aber auch der "schmissige Marsch aus Kaiserszeiten" kam ebenso ins Programm wie Klassiker von Beethoven bis Verdi. Mit dieser Mischung feierte die "Blasmusik Ohmenhausen", wie sich die Kapelle seit ca. 1985 nennt, zusammen mit ihrem Gesangduo Inge und Toni Hessner stürmische Erfolge.

In den 90er Jahren setzte sich dieser Trend fort. So nahm man 1991 und 1994 beim Internationalen Musikfestival in Bad Bramstedt, Schleswig-Holstein, teil. Bei der zweiten Teilnahme an diesem Musikfestival 1994 wurde der Blasmusik Ohmenhausen eine besonders ehrenswerte Aufgabe übertragen: Die Kapelle, unter Leitung von Dirigent Dietmar Hacker, vertrat Deutschland beim Konzert der Nationen, bei dem traditionell eine Kapelle aus jedem teilnehmenden Land ein Musikstück darbietet.

Nach elf Jahren am Dirigentpult beendete Dietmar Hacker Ende 1995 seine Tätigkeit im Musikverein Ohmenhausen. Nachfolger wurde Andreas Vegh, der den Verein jedoch nach einem Jahr wieder verließ. Kurt Müll aus Lichtenstein wurde 1997 neuer Dirigent. In seiner Amtszeit stellte man mehr und mehr auf Big-Band Musik um. Aber auch die traditionelle Blasmusik behielt ihren Stellenwert. 1997 besuchte die Blasmusik Ohmenhausen erstmals ein Kapelle in Frankreich. Die Trachtenkapelle Vieux Thann aus dem Elsaß, die man beim Internationalen Musikfest in Bad Bramstedt bereits kennen gelernt hatte, lud ein und gerne nahm man diese Einladung an. 1998 erfolgte dann der Gegenbesuch der Franzosen zum Hutzelfest. Über Pfingsten 1998 machte die Kapelle sich wiedermal auf in den Norden. Neben einem Besuch bei den Musikfreunden des TSV Wiemersdorf, stand ein Konzert in Westerland auf Sylt auf dem Programm.
Nach sieben Jahren im Amt verließ Dirigent Kurt Müll im Februar 2004 die Blasmusik Ohmenhausen. Nachfolger wurde Fridel Schmidt, studierter Posaunist und Mitglied der Otti-Bauer-Band des ZDF.

Historische Bilder